Die Reduzierung aufgenommener Kalorien kann die Langlebigkeit förder, so zumindest haben es bereits Studien gezeigt. Doch bedeutet eine Reduzierung der Kalorien auch immer einen Verzicht – und der ist nicht immer ganz einfach im Alltag umzusetzen. Aus diesem Grund wird nach Möglichkeiten gesucht auf Kalorien zu verzichten, ohne wirklich verzichten zu müssen. Diese Such nach möglichen Stoffen oder Molekülen, die dieselbe Art von Stoffwechselveränderungen bewirken wie Fasten nennt sich calorie-restriction mimetics (CRM).

In zwei aktuellen Studien wurden zwei ganz unterschiedliche CRMs untersucht, die den Wunsch nach Fortschritt auf diesem, recht neuen, Gebiet verdeutlichen. Eine der Studien, die vom Institut Pasteur durchgeführt wurde, konzentriert sich auf GDF11, ein Protein, das dafür bekannt ist, verschiedene Rollen in der Embryonenentwicklung zu spielen. Laut Forschern des Institut Pasteur scheint GDF11 einen Zusammenhang zwischen der Kalorienrestriktion und der verjüngenden Wirkung von „jungem Blut“ zu bilden.

In der zweiten Studie, durchgeführt vom französischen medizinischen Forschungsrat (INSERM) wurde ein Polyphenol namens 3,4-Dimethoxychalkon (3,4-DC) untersucht, dass einen ähnlichen Effekt haben soll wie Spermidin oder Resveratrol. Sowohl Spermidin, als auch Resveratrol und 3,4-DC scheinen die Autophagie, einen natürlichen Reinigungsprozess der Zellen, der giftige oder falsch gefaltete Proteine, so genannten Zellmüll, kontrolliert entfernt, in ähnlicher Weise wie eine Fastenkur zu fördern.

Obwohl GDF11, das zur Familie der Wachstumsdifferenzierungsfaktoren-Proteine gehört, nachweislich Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduziert, Krebs vorbeugt und die Neurogenese im Gehirn erhöht, waren sich die Wissenschaftler nicht sicher, ob es auch wirksam genug ist um den Alterungsprozess zu verlangsamen. Daher wurde nach Nachweisen gesucht, dass GDF11 ähnlich wirkt wie eine Fastenkur. Dazu wurde untersucht, ob die Wirkung von GDF11 im Organismus ähnlich funktioniert wie ein Verzicht auf Kalorien oder eine Fastenkur.

Studienergebnisse veröffentlicht

Veröffentlich wurden die ERgebnisse der Studie am 22. Oktober unter dem Titel „Systemic GDF11 stimulates the secretion of adiponectin and induces a calorie-restriction‐like phenotype in aged mice“ in der Fachzeitschrift Aging Cell.

„Systemisches GDF11 löst einen kalorienrestriktionsähnlichen Phänotyp aus, ohne den Appetit zu beeinträchtigen, stellt den Insulin/IGF-1-Signalweg wieder her und stimuliert die Adiponectin-Sekretion aus weißem Fettgewebe durch direkte Wirkung auf Adipozyten, während die Neurogenese im alternden Gehirn repariert wird“, schrieben die Autoren der Studie. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass GDF11 eine pleiotropische Wirkung auf organismischer Ebene hat und dass es ein Verbindungsmechanismus der Verjüngung zwischen heterochroner Parabiose und Kalorienrestriktion sein könnte.“

Adiponectin ist ein Hormon, das eine Gewichtsabnahme bewirkt, ohne den Appetit zu beeinträchtigen. Bei Tieren, die einer Kalorieneinschränkung unterworfen sind, sind die  Werte des Hormons im Blut hoch. „Bei Tieren, denen GDF11 verabreicht wurde, beobachteten wir auch einen hohen Adiponectinspiegel“, sagte Lida Katsimpardi, „und das zeigt, dass GDF11 Stoffwechselveränderungen verursacht, die denen ähneln, die durch Fasten verursacht werden“.

„Diese Ergebnisse sind ermutigend und sie unterstützen den therapeutischen Einsatz von GDF11 bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen wie Fettleibigkeit und neurodegenerativen Erkrankungen.“

Studie untersucht Alternativen zu Spermidin

Die zweite Studie, die sich mit der Auswirkung und Erforschung von CRMs beschäftigt, durchgeführt von Wissenschaftlern des französischen Forschungsrates, knüpfte an frühere Forschungen an. Da bereits nachgewiesen wurde, dass Spermidin und Resveratrol eine Anti-Aging Wirkung vei verschiedensten Organismen, von diversen Hefen bis hin zu Maus, besitzt, konzentrierten sich die Forscher in der aktuellen Studie daraus, weitere Substanzen und CRMs zu finden, die einen ähnlichen Effekt haben. Dazu testeten sie 200 Verbindungen, die zur gleichen Substanzklasse wie Wie Spermidin und Resveratrol gehören auf Ihre zelluläre Wirkung. Sie untersuchten dabei welche der Substanzen an Zellkulturen eine erhöhte Autophagie auslösten. Der vielversprechendste Kanidat war dabei ein Wirkstoff namens 3,4-Dimethoxychalkon (3,4-DC).

„Wenn es zu mehreren verschiedenen menschlichen Zelllinien hinzugefügt wurde, induzierte 3,4-DC die Deacetylierung von zytoplasmatischen Proteinen und den stimulierten autophagischen Fluss“, schrieben die Autoren des Artikels. „[Wie bei anderen gut charakterisierten CRMs führt 3,4-DC[zu Autophagie], aber über einen anderen Weg, der den Transkriptionsfaktor EB (TFEB)- und E3 (TFE3)-abhängige Gentranskription und mRNA-Übersetzung erfordert.“

Anschließend untersuchten die Forscher die Wirkung von 3,4-DC auf lebende Tiere. Zu diesem Zweck injizierten sie die Substanz in Mäuse. Sie fanden heraus, dass es vor einem Myokardinfarkt schützt und das Wachstum von Tumoren im Zusammenarbeit mit bestimmten Chemotherapeutika reduziert. Beide Effekte wurden bisher mit der Autophagie und mit CRMs wie Spermidin und Resveratrol in Verbindung gebracht.

Es bleibt abzuwarten, ob 3,4-DC ähnliche Effekte beim Menschen hat. Die Studie ist jedoch ein prinzipieller Beweis dafür, dass der Ansatz der Forscher zur Prüfung von Substanzen in der Zellkultur ein schneller und effizienter Weg ist, um neue CRM-Kandidaten mit unterschiedlichen Wirkungsweisen zu identifizieren.